Nachhaltige Entwicklung – Was bedeutet das?

Nachhaltigkeit, bzw. Nachhaltige Entwicklung sind inzwischen Buzzwords, die gerne auch von Firmen verwendet werden, um Kunden zu gewinnen oder einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Irgendwie hat jeder eine Vermutung, was eigentlich gemeint ist, irgendwas mit Umwelt vielleicht, aber was bedeutet es denn genau?

Aus meiner Sicht ist dieses Konzept notwendig, wenn wir eine fortwährende Existenz auf der Erde führen wollen. Im Grunde eine Binsenweisheit. Wenn wir unsere Existenz nicht so gestalten, dass sie dauerhaft funktioniert, werden wir als Zivilisation scheitern.

Manch einer könnte vermuten, es geht uns doch gut, was soll denn sein? Tatsächlich leben wir aber in einem Land voller Krisen und der Wohlstand in dem wir vermeintlich leben, ist eingebildet. Deutschland, berichtet der National Geographic [1], leidet unter schweren Landschaftsschäden, z.B. durch zu viel Stickstoff im Boden, Pestizidbelastung, Flächenversieglung. Als Folge sinken die Bodenqualität und die Biodiversität. [1] Es gibt soziale Schwierigkeiten, weil z.B. seit vielen Jahren, wie die OECD & Bertelsmannstiftung analysiert haben [2], die Mittelschicht immer kleiner wird und die Schere zwischen Arm und Reich zunimmt [3]. Die Gesellschaft radikalisiert sich außerdem. Wirtschaftliche Herausforderung sind die Staatsverschuldung von aktuell 2,5 Billionen € [4], schwächelnde Digitalisierung [5], Innovation [6] und Infrastruktur [7]. Dieses System ist nicht vermutlich nicht auf Dauer aufrechtzuerhalten. Ein wesentliches Problem ist vor allem, dass Kosten regelmäßig an die Gesellschaft externalisiert werden, z.B. Kosten für Atomkraft, die vor allem von der Gesellschaft über Steuergelder bezahlt werden, statt den Verursachern [8]. Auf diese Weise werden die Kosten verschleiert und können nicht steuernd wirken. Ihr jeweiliger Einfluss und ihre Bedeutung fallen nicht auf. Um eine nachhaltige Lebensweise zu gewährleisten, sind diese Informationen und die Steuermöglichkeit aber essentiell.

Aber was bedeuten nun Nachhaltigkeit und Nachhaltige Entwicklung? Das UN-Gremium World Commission on Environment and Development hat 1987 den Bericht „Our Common Future“ veröffentlicht, heute als Brundtland-Bericht bekannt, in dem die Definition der Nachhaltigen Entwicklung als [9]:

„…die Entwicklung, die die Bedürfnisse der aktuellen Generation erfüllt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen ihre Bedürfnisse zu erfüllen, zu beeinträchtigen.“

Brundtland Report, 1987

formuliert ist. Es geht also einmal um Bedürfnisse und das Recht aller, inklusive zukünftiger Menschen, diese zu erfüllen, aber eben nicht zulasten der Möglichkeit von anderen. Nachhaltigkeit steht dann am Ende der nachhaltigen Entwicklung.


Entwicklung des Konzepts

In den 1980ern zeigte sich, dass die vorangegangenen Jahrzehnte an Entwicklungspolitik nur sehr begrenzt Erfolg hatten. Dies lag u.a. daran, dass man einen starken Fokus auf wirtschaftliche Entwicklung gelegt hatte, was aber nicht dazu führte, dass es es den Ländern besser ging. Profiteure waren oft genug nur einzelne Unternehmen, die Länder wurden stark verschuldet. Man erkannte, dass Entwicklung mehrere Felder braucht, um erfolgreich zu sein.

Im Jahr 1992 kam es in Rio zur Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die zum ersten Mal diese beiden Themen miteinander verband. Die Agenda 21 wurde entwickelt und mit den Millennium Development Goals versuchte man Entwicklung nachhaltiger zu gestalten, allerdings wurde Nachhaltigkeit nur in einem Ziel erwähnt.

Zwanzig Jahre später kam es zu einer Wiederauflage der Konferenz, die schließlich in der Formulierung der Agenda 2030 und den UN Sustainable Development Goals, kurz SDGS, (UN-Nachhaltigkeitsziele) mündete (s.u.), welche deutlich umfangreicher waren als die Millennium Development Goals. Anhand von sozialen und ökologischen Problemen wurde evident, dass Nachhaltigkeit eine notwendige Bedingung für menschliches Leben ist.


Dimensionen der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit, bzw. Nachhaltige Entwicklung wird durch drei sogenannte Dimensionen beschrieben: Sozial, Ökonomisch und Ökologisch. Alle drei Dimensionen müssen bei Nachhaltigkeit berücksichtigt werden, da eine Gesellschaft nicht ohne diese drei existieren kann. Eine besondere Rolle gebührt dabei allerdings der ökologischen Dimension, da ohne sie kein Leben existieren kann – damit gäbe es auch keine soziale oder ökonomische Dimension. Gleichwohl kann die Umwelt allerdings ohne diese beiden Dimensionen auskommen. Diese Dimensionen lassen sich nach von Hauff [10] im sogenannten Integrierten Nachhaltigkeits-Dreieck darstellen, s. Abbildung 1.

Die drei Dimensionen bilden dabei die Ecken des Dreiecks, verlaufen aber den Seiten entlang zunehmend in Richtung Uhrzeigersinn. Mithilfe dieses Dreiecks kann die Abhängigkeit zwischen den Dimensionen für unterschiedliche Aktivitäten, bzw. Maßnahmen dargestellt werden. Keine Dimension kann ohne die andere beeinflusst werden – erst einmal wertfrei.

Abbildung 1: Das Integrierte Nachhaltigkeits-Dreieck. Die drei Dimensionen tauchen an den Seiten des Dreiecks auf und verlaufen progressiv im Uhrzeigersinn. Im Zentrum liegen Maßnahmen, die alle drei Dimensionen gleichermaßen betreffen, an den Rändern solche, die in unterschiedlicher Ausprägung zwei betreffen. Nach [10]

Das ist das Besondere an den Dimensionen der Nachhaltigkeit. Sie sind die Eigenschaften eines Systems, das kann ein Produkt, ein Unternehmen, ein Staat oder die ganze Zivilisation sein. Aktivitäten bzw. Maßnahmen dieses Systems werden die Dimensionen beeinflussen. Oft gezielt mit einem bestimmten Effekt und ungewollt mit weiteren. Beispielsweise werden Kohlekraftwerke genutzt, um Strom zu erzeugen, was wirtschaftlich und sozial notwendig ist, aber eben z.B. über Abgase und Klimawandel auch die ökonomische Dimension beeinflusst.

Wie nun Maßnahmen eine Dimension beeinflussen muss mit Indikatoren quantifiziert werden, also Zahlenwerten, die ein Maß für den Einfluss sind. Dann kann sie bewertet und ggf. angepasst werden, um ungewünschte Auswirkungen zu vermeiden und gewünschte zu verbessern.

Beispielsweise könnte eine Fabrik, die in einer Region gebaut wird, dort für Arbeitsplätze sorgen, d.h. das Einkommen steigern und damit auch den Konsum, außerdem Handelswaren produzieren. Beides beeinflusst die ökonomische Dimension. Die Verbesserung der Arbeitsplatzverfügbarkeit kann auch die soziale Dimension beeinflussen, wenn Armut bekämpft und so z.B. bessere Bildung möglich wird. Abgase der Fabrik können aber die ökologische Dimension negativ beeinflussen. Wenn die Fabrik aber z.B. Filteranlagen für Abgase herstellt, könnte der Einfluss auch positiv sein. Es gibt auch sekundäre Einflüsse, die als Folge von ersteren eintreten können. Bessere Bildung ermöglicht z.B. den Menschen in der Region wiederum höher qualifizierte Jobs anzunehmen, ggf. Unternehmen zu gründen, d.h. dies beeinflusst auch sekundär die ökonomische Dimension. Mehr Arbeit bedeutet aber auch mehr Arbeitsunfälle und weniger Zeit für die Familie, was die soziale Dimension beeinträchtigt, bzw. die ökonomische, wenn Arbeitsunfälle zu Armut führen, weil z.B. Menschen nicht mehr arbeiten können. Dagegen können z.B. Arbeitssicherheitsstandards helfen. Diese Auswirkungen lassen sich sehr umfangreich weiterspinnen und wie man sieht, kann selbst eine einzige Maßnahme sehr schnell komplexe Situationen bzw. Nachhaltigkeit erzeugen.

Diese Komplexität von Auswirkungen macht Analysen und Planung erforderlich, um möglichst optimale Ergebnisse mit möglichst geringen Nachteilen zu erreichen.


Strategien und Werkzeuge

Die Komplexität von Nachhaltigkeit macht gezieltes Handeln so notwendig wie fundierte Analysen. Daher braucht es Strategien, um Nachhaltigkeit – in welchem Maßstab auch immer – zu erreichen. Dies können Unternehmensstrategien sein, die z.B. beschreiben auf welche Schadstoffe zukünftig verzichtet werden, was z.B. die Angestellten des Unternehmens mit weniger Gesundheitsrisiko arbeiten lässt und die Umwelt entlastet. Ebenso können Staate oder internationale Zusammenkünfte Nachhaltigkeitsstrategien planen, was natürlich ungleich schwieriger ist. Je vernetzter diese Aktivitäten sind, umso komplexer werden die Analysen, aber auch effektiver. Beispielsweise können Abfallprodukte eines Unternehmens Rohstoffe für ein anderes sein.

Typischerweise auf Produktebene werden sogenannte Life-Cyle-Analysen durchgeführt, bzw. Life-Cycle-Sustainability-Analysen. Unter Berücksichtigung von Kennwerten zu allen Dimensionen werden alle Produktphasen (also z.B. schon beim Entwurf auf „Papier“ über Produktion bis hin zur Entsorgung) analysiert und Handlungsoptionen verglichen. Auch wenn ein Produktteil z.B. günstiger in einem anderen Land hergestellt werden kann, können dort z.B. schwächere Umweltregularien zu mehr Umweltschäden führen. Neben Umwelt- und Gesundheitsschäden kann die am Ende auch höhere Kosten verursachen, weil Schäden auch die Wirtschaft beeinträchtigen. Geld, was für Umweltschäden ausgegeben werden muss, z.B. bei Flutschäden, die durch den Klimawandel und damit als Folge von Treibhausgasemissionen häufiger werden [11], steht nicht für Konsum und Investitionen zur Verfügung. Am Ende schneidet die Wirtschaft – wenn auch nicht zwangsläufig die Verursacher direkt – sich selbst ins eigene Fleisch, wenn Umweltschäden ignoriert werden.

In Fällen wo es zu sogenanntem Marktversagen kommt, typischerweise durch Externalisierung von Kosten, braucht es gesetzliche Grundlagen, um dieses zu korrigieren. Was bedeutet dies? Die Schäden durch Treibhausgase werden z.B. nicht durch die Hersteller bzw. Nutzer entsprechender Produkte bezahlt. Das verzerrt den Markt, denn die Kunden sehen die eigentlichen Kosten nicht, weil die Schäden von allen bezahlt werden via Steuergelder, bzw. auch privat oder über Versicherungen. Es gibt staatliche Entschädigungen für dürrebedingte Ernteausfälle. Flutschäden werden von Versicherungen oder den Betroffenen direkt bezahlt. Die Kosten treten erst im Nachhinein auf und die Konsumenten werden über diese eigentlichen Kosten nicht informiert.

Der eigentliche Preis ist also verborgen und kann daher nicht dazu dienen, den Markt zu steuern. Solche Externalisierungen werden dann sinnvollerweise mittels Steuern oder Subventionen bekämpft.

Ein weiteres wesentliches Werkzeug ist die Partizipation. Diese dient dazu, dass alle, die von einer Maßnahme betroffen sind, darauf Einfluss haben. Das vervollständigt z.B. Informationen, aber garantiert auch, dass Maßnahmen angenommen werden. Plant man z.B. eine Schlachterei für Rinder in einer Region in der Kühe heilig sind, wird die Schlachterei schlecht Arbeitskräfte finden und ihre Produkte nicht gut absetzen können bei gleichzeitigen negativen sozialen Auswirkungen.


Agenda 2030

Die üb ergreifendste Strategie, die es im Bereich Nachhaltigkeit gibt, sind die bereits erwähnten UN-Nachhaltigkeitsziele, S. Abbildung 2. Diese 17 Ziele betreffen auf unterschiedliche Weise jeder der Dimensionen, z.B. Ziel 2 die soziale Dimension, Ziel 9 für die ökonomische und Ziel 13 die ökologische. In den meisten Fällen betreffen die Ziele aber mindestens über sekundäre Effekte auch weitere Dimensionen.

Abbildung 2: Übersicht über die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. [12]

Diese Ziele sind gemeinsam verabschiedet und für alle UN-Mitglieder bindend. Das Besondere aber ist, dass jedes Land frei entscheiden kann, wie es diese Ziele erreicht. Es gibt zwar Vorgaben, was zu erreichen ist, z.B. den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung zu halbieren im Fall von Ziel 1, aber es wird nicht vorgeschrieben, wie das erreicht werden soll. Dies ermöglicht jedem Land für sich passende Maßnahmen auszuwählen und macht Akzeptanz der Ziele leichter.

Das High-Level Political Forum überwacht dabei die Umsetzung. Dort berichten alle Länder – wobei die Häufigkeit nicht vorgeschrieben ist – in Form von Nachhaltigkeitsberichten über ihre Fortschritte. Der letzte deutsche Bericht stammt von 2012 und kann hier bei der UN heruntergeladen werden.


Fazit

Nachhaltigkeit, bzw. nachhaltige Entwicklung ist ein Konzept, was den Fortbestand der menschlichen Zivilisation ermöglichen soll. Auch wenn einzelne Aspekte nicht der Weisheit letzter Schluss sind, so haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass wir deutlich mehr Einfluss auf die Welt haben als man dies gemeinhin denken würde. Einzelne Entscheidungen sind ein Zahnrad von vielen, was sowohl Lebensgestaltung als auch Umwelt und Wirtschaft der ganzen Welt beeinflusst. In einer immer mehr vernetzten Welt besteht dieser Einfluss auch global. Wir können nicht mehr im Blindflug, ggf. auf das Beste hoffend oder zumindest nicht das Schlimmste wollend, agieren, sondern müssen analytisch planen, um negative Auswirkungen unserer Aktivitäten zu begrenzen und positive zu maximieren. Das Wichtigste Grundkonzept aber ist, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben auch zukünftige Menschen. In der Umsetzung, auch bei den SDGs, gibt s sicherlich noch viel Verbesserungspotential. Aber es ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es liegt an uns, was wir daraus machen.

Quellen

[1] Jens Voss, „Wie geht es der Umwelt in Deutschland“, National Geographic, 2021, online (abgerufen 16.8.2023): https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-geht-es-der-umwelt-in-deutschland

[2] Bertelsmann Stiftung, „Bröckelt die Mittelschicht?“, 2021

[3] Volker Witting, „Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich“, DW.com, 2021, online (abgerufen 17.8.2023): https://www.dw.com/de/wachsende-kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland/a-57506792

[4] Gold.de, „Staatsverschuldung Deutschland“, online (abgerufen 18.8.2023): https://www.gold.de/staatsverschuldung-deutschland/

[5] Manager-Magazin.de, „Deutschland fällt in Digital-Ranking auf vorletzten Platz Europas“, 2021, online (abgerufen 15.8.2023): https://www.manager-magazin.de/politik/digitalisierung-deutschland-in-ranking-auf-vorletztem-platz-in-europa-a-f0a7ef16-8903-4d9a-90c8-f72d732b8b9c

[6] Frank Specht, Martin Greve, „Innovationskraft sinkt: Der deutsche Mittelstand verschläft die Zukunft“, 2019, online (abgerufen 16.8.2023): https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bertelsmann-studie-innovationskraft-sinkt-der-deutsche-mittelstand-verschlaeft-die-zukunft/25145334.html

[7] Niklas Engelking, Johanna Apel, Alisha Mendgen, Felix Huesmann, Daniela Weichselgartner, „Die dysfunktionale Republik: fünf Baustellen, die Deutschland lähmen“, 2022, online (abgerufen 16.8.2023): https://www.rnd.de/politik/infrastruktur-in-deutschland-der-staat-kommt-an-seine-grenzen-FFMSG7K62FGFFMA6L3LGY7ZQ2Q.html

[8] Isabel Schrems, Swantje Fiedler, „Gesellschaftliche Kosten der Atomenergie in Deutschland“, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, 2020

[9] UN World Commission on Environment and Development, „Our Common Future“, 1987

[10] Michael von Hauff, „Nachhaltige Entwicklung – Grundlagen und Umsetzung“, De Gruyter Oldenbourg, 2014

[11] ZEIT, „UN-Bericht: Mehr Naturkatastrophen durch den Klimawandel“, 2020, online (abgerufen 18.8.2023): https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-10/un-naturkatastrophen-klimawandel-bericht

[12] UN, „Sustainable Development Goals“, online (abgerufen 16.8.2023): https://www.un.org/sustainabledevelopment/news/communications-material/

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